Im Ausstellungstext der Leipziger ASPN-Gallerie zum Bilderzyklus F 60 heißt es "Überlebensgroß porträtiert Robert Seidel vier Menschen, drei von ihnen mit weißem Helm eindeutig als Arbeiterinnen und Arbeiter zu erkennen. Vor lehmiger Kulisse oder zwischen den Streben und Leitungen massiver Maschinen werden sie erkennbar als Bergleute. Im Osten Sachsens und weiteren Regionen der Lausitz wird in riesigen Tagebauen Braunkohle gefördert. Die dort eingesetzte Förderbrücke F60 leiht der Ausstellung den Titel. Über ein Jahr lang hat Robert Seidel die Region immer wieder besucht, die tiefen Gruben mit dem Fahrrad umrundet, Menschen getroffen, zugehört, Bagger besichtigt und viele Fotos gemacht." Wir haben uns seine Arbeiten auf dem Spinnereirundgang in Leipzig angeschaut und durften Robert vier schnelle Fragen stellen.

Siegmund, F 60, 2022, egg on tempera on canvas, 240 x 160 cm, Robert Seidel
Die Menschen in der F60-Serie wirken auf mich - subjektiv betrachtet - fast dokumentarisch, nicht vom Leben gezeichnet, so wie man es vielleicht von einer Arbeit innerhalb der Kohleförderung meinen könnte. Deine Sujets scheinen sehr fokussiert zu sein und sind in ihrem Alltag portraitiert. Ohne, dass du die Situation bewertest. Wie hast du die Menschen vor Ort in der Region Lausitz wahrgenommen? Gab es von ihnen Rückmeldungen auf deinen Bilderzyklus? Robert Seidel: Den abgebildeten Personen gegenüber stehe ich in der Verantwortung. Wir tauschen uns aus und die bisherige Rückmeldung war sehr positiv.
Auf der Ausstellung beim Spinnerei-Rundgang hörte ich ein älteres Ehepaar mit Leipziger Dialekt sagen: „das ist mir zu sozialistisch“. In der DDR-Malerei waren Arbeitende ja Gegenstand der Kunst und mit Blick auf die Bildästhetik, die damals die Arbeitenden ins Zentrum stellte, könnte man Parallelen zu deinen Sujets ziehen. Damals spielte die Kohle eine große Rolle im Leben der Menschen. Willst du dokumentieren, dass eine Ära zu Ende geht und ist ein Anklang an eine sozialistische Großflächigkeit, wie wir sie beispielsweise vom Dresdner Kulturpalast kennen, gewollt? Robert Seidel: Ich verstehe, wenn aus Sehgewohnheiten heraus diese Impulse entstehen, aber die Vorzeichen und die Bearbeitung des Themas sind andere. Es handelt sich weder um einen Auftrag, noch versuche ich den Arbeiter als Stereotyp zu überhöhen oder zu glorifizieren. Ich wollte ein Zeitdokument schaffen, einen sinnlichen Kommentar zur aktuellen Lage. Mir steht es nicht zu, zu bewerten, ich möchte bewahren.

Jeep 3, F 60, 2022, egg on tempera on canvas, 120 x 180 cm, Robert Seidel
Ich mutmaße: Die leeren Wagen in „Vorwärts“ scheinen, als könnten sie jeden Moment wieder losfahren, als würde der Zündschlüssel noch stecken. Und als würde auch keiner mehr einsteigen. Hat die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema deine Sicht auf die Lausitz, den Wirtschaftsfaktor Kohle und die Menschen, die sie fördern, geändert?
Robert Seidel: Es gibt drei Jeeps, die Arbeiten sind durchnummeriert und heißen Jeep 1, Jeep 2 und Jeep 3. Ich arbeite sehr präzise und beim genauen Betrachten/Vergleichen der Arbeiten werden geringfügige Unterschiede erkennbar sein. Meine Malerei lebt von dem Kontrast zwischen organisch/zufälligen und konstruierten Elementen. In diesem Fall möchte ich keine Interpretation vorwegnehmen, ich glaube die Ausstellung gibt genügend Spielraum, sich mit dem Thema, auch auf sinnlicher Ebene, auseinander zu setzen.

Was werden deine nächsten Schritte sein? Im August wird die Galerie ASPN Arbeiten von mir wir auf die Enter Art Fair in Kopenhagen zeigen, im Oktober werde ich eine Artist in Residence in den Niederlanden machen und im Februar habe ich meine nächste Einzelausstellung in der Galerie Gerhard Hofland in Amsterdam.
Danke für Zeit, lieber Robert.
(Das Interview führte Sylvi Weidlich.)
Bildquellen: Robert Seidel / VG Bild - Kunst, Bonn 2023/Sebastian Komnick
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