
Kunst in der DDR wurde viel und kontrovers diskutiert. Letztens beim "Dresdner Bilderstreit" 2017: Paul Kaiser warf der damals neuen Chefin des Albertinums vor, Werke von DDR-Künstler*innen in Größenordnungen ins Depot zu verdammen. Die neue Forschungsgruppe "Art in Networks. The GDR and its Global Relations" unter der Leitung von Prof. Kerstin Schankweiler hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, die zahlreichen Kontakte der DDR und ihrer Kunstszene in das Ausland neu zu beleuchten. Ein besonderer Fokus liegt auf den Beziehungen mit sozialistisch geprägten Ländern wie Afrika, Lateinamerika und Asien, die bisher als weitgehend unerforscht gelten. Wir haben mit einer der vier Nachwuchs-wissenschaftler*innen der Forschungsgruppe, Pauline Hohn, über die transnationalen Kunstbeziehungen der DDR gesprochen.
Redaktion: Du untersuchst im Rahmen deiner Forschungsarbeit als auch in deiner Masterarbeit die Rezeption der Kunst aus Afrika in der DDR. Was macht für dich ein neues Einordnen der transnationalen Kunstbeziehungen der DDR so spannend?
Pauline Hohn: Eine erweiterte Sicht auf den Kunst- und Kulturbetrieb der DDR bietet uns heute die Möglichkeit neuer Lesarten. Natürlich muss der transkulturelle Dialog der DDR mit Ländern des globalen Südens unter einem sozialistischen Deckmantel betrachtet werden und am Beispiel von Rezeption von Kunst aus Afrika wird deutlich, dass Rassismen, Differenzen und Fremdzuschreibung die Ausstellungspraxis und Rezeption prägen.
Aber zugleich sind auch bemerkenswerte Ansätze zu finden, die partiell eine differenzierte Auseinandersetzung, ein Bewusstsein für Stereotype und die teilweise Überwindung von Ressentiments zeigen. Außerdem sind viele spannende Künstler*innen und Ausstellungen mit Kunst aus Afrika in der DDR gezeigt worden, die es heute wieder zu entdecken gilt.
Redaktion: Kannst du auf den Rassismus, die Differenzen und Fremdzuschreibungen näher eingehen und an einem Beispiel beschreiben?
Pauline Hohn: Das zeigt sich ziemlich gut an der Einzelausstellung „Malangatana Valente Ngwenya. Malerei, Grafik, Zeichnungen“, die 1986 im Museum für Völkerkunde in Leipzig präsentiert wurde.
Sie fällt einerseits positiv aus dem Raster, weil Malangatana als einer von wenigen zeitgenössischen Künstler*innen aus Afrika eine Einzelausstellung in der DDR gewidmet und das Gesamtwerk in eine globale Kunstgeschichte eingeordnet wird, was den Vorurteilen der Geschichtslosigkeit und Isolation Afrikas gegenüber ‚fortschrittlichen‘ Einflüssen entgegenwirkte.
Andererseits wird ihm mit der Präsentation im ethnologischen Museum begrenzte Sensibilität entgegengebracht. Dass auch Malangatana den Ausstellungsort als Herabsetzung empfand, wird durch seinen Widerspruch dazu deutlich.
Redaktion: Und in wie ist es schlussendlich gelungen, diese Ressentiments zu überwinden? Gibt es Einzelpersonen, die hier zu benennen sind?
Puhh, das ist nicht so leicht zu beantworten. Am Beispiel der Schau „Schätze aus Alt-Nigeria. Erbe von 2000 Jahren“, die 1985 im Pergamonmuseum in Berlin gezeigt wurde, werden Vorurteile gegenüber Kunst aus Afrika ganz klar im Ausstellungskatalog und auch in der Presse kritisch benannt und ihre Überwindung als Ziel der Schau beschrieben. Die wissenschaftliche und konzeptionelle Arbeit der Ausstellung lag auf der nigerianischen Seite und die DDR war sehr bemüht, den gestellten Forderungen nachzukommen.
Solch ein Engagement der DDR ist mir bei Ausstellungen zu Kunst aus Mosambik oder Äthiopien nicht begegnet, es kann vielleicht durch die Hoffnung auf politische und diplomatische Annäherung begründet werden.
Redaktion: Was kannst du noch über die Arbeiten und Arbeitsweise von Malangatana Valente Ngwenya erzählen - der Name war uns bisher noch völlig unbekannt.
Pauline Hohn: Malangatana ist wirklich ein spannender Künstler, dessen Kunstwerke bei einigen Gruppenausstellung in der DDR zur Kunst aus Mosambik gezeigt wurden und der auch selbst in die DDR reiste.
Seine Gemälde und Grafiken der 1960er Jahre decken ein breites Feld von Themen ab, beispielsweise sind kritisch-politische Interpretationen möglich, aber christliche Bildthemen und lokale Mythen spielen eine Rolle.
Das Gemälde „Blutquelle“ von 1961 zeigt exemplarisch, dass die Kompositionen oft von Gewalt zeugen und Dinge wie die Zähne zu typischen Motiven werden.
Redaktion: Warum lohnt es sich deiner Meinung nach, mit dem nötigen zeitlichen Abstand einen frischen Blick auf die Kunst der DDR-Zeit zu werfen?
Pauline Hohn: Mein Eindruck ist, dass ein transkultureller Blick auf die Kunstgeschichte der DDR viele Möglichkeiten bietet, um die bestehenden Meinungen und Perspektiven zu erweitern. Da gibt es noch spannende Geschichten zum Austausch mit Ländern abseits des Ostblocks zu erzählen.
Pauline, lieben Dank für deine Zeit und für das Interview.

Unsere Interviewpartnerin: Pauline Hohn
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