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Ost-West-Malerei: Gespräch mit Falk Töpfer über ostdeutsche Identität in der Kunst

Autorenbild: Syl VieSyl Vie

Aktualisiert: 8. Mai 2023

Gibt es eine ostdeutsche Bildstrategie? Wir sprechen mit dem Dresdner Künstler über zeitgenössische Malerei aus Ostdeutschland.

Falk Töpfer ist Maler, Moderator und Meisterschüler an der Hochschule für bildende Künste Dresden. Sein Bonanzarad, auf dem er bei Auftritten lässig im weißen Smoking auf die Bühne rollt, parkt er in seinem Atelier zwischen. Oder er verarbeitet es in seiner Kunst. Wir sitzen an einem kalten Augusttag in seinem Atelier mitten im Herzen der Dresdner Neustadt. Die Tür steht auf, wir trinken Kaffee mit Hafermilch und tauschen uns über die Sichtweisen unserer Eltern aus, die emotional noch eng mit der DDR verhaftet sind. Wir stellen fest, dass wir als Nachfolgegeneration pragmatischer auf viele Geschehnisse blicken. Ich will von Falk wissen, ob er sich als ostdeutschen Künstler sieht und ob es eine lebendige ostdeutsche Kunst gibt.


Würdest du dich selbst als ostdeutschen Künstler bezeichnen?


Nee. Ich würde mich nicht als ostdeutschen Künstler bezeichnen, sondern als deutschen Künstler. Und ich würde mich vielleicht als ostdeutsch bezeichnen, komischerweise. Ich merke das, wenn ich unterwegs bin. Wenn man mit Leuten spricht, die ebenfalls Kunst studiert haben, werde ich schon gefragt, ob ich aus dem Osten oder aus dem Westen komme. Aber ich fühle mich nicht als ostdeutscher Maler.


Wie kannst du dir das erklären?


Weil ich im Studium mit Leuten aus Gesamtdeutschland studiert habe, auch die Professoren kamen nicht spezifisch aus Ostdeutschland. In meinem Studium spielte das keine Rolle, auch heute nicht, auch nicht beim Ausstellen. Deine Frage impliziert ja auch, ob die ostdeutsche Identität in der Kunst lesbar ist.

Absolut. Und ist sie es?


Aus meiner Perspektive tendiere ich für meine Wendegeneration zu nee. Ich vermute, dass es eine klassische ostdeutsche Kunst in meiner Generation nicht mehr gibt. Wenn ich mir Diplomausstellungen anschaue, sieht man Kunst aus Hamburg, Dresden, München, Leipzig und das war vergleichbar. Es gibt kleine Differenzen im Sinne von Referenzen.


Hat das Einfluss auf deine Themenwahl?


Man lebt immer an einem IST-Punkt. Und in München, Dresden, Rostock, Hamburg sind viele Themen die gleichen. Die Biografie spielt immer eine Rolle. Wenn ich mir viele ostdeutsche Künstler anschaue, spüre ich eine Nähe zu ihnen. Ich mag zum Beispiel Wolfgang Mattheuer sehr. Aber ganz viele Sachen aus der DDR-Zeit sind zu einem gewissen Zeitpunkt gemalt wurden. Viele Thematiken sind heute für ganz Deutschland ähnlich, weil sie uns alle gleichermaßen betreffen. Wir haben alle Lockdown und befinden uns in einer Pandemie. Wir müssen alle Steuern zahlen und haben das gleiche demokratische System. Und wenn ich meine Bilder in einer Ausstellung aufhängen würde, ohne preiszugeben, dass ich aus dem Osten komme, würde keiner meine Zugehörigkeit ablesen können. Vielleicht kann man das im Nachhinein zurechtruckeln: Aaah, diese ostdeutsche Landschaftstradition kann ich beim Töpfer lesen, die schönen Felder Ostdeutschlands (wir beide lachen laut).


Viele künstlerische Arbeiten, die in der DDR entstanden sind, sind heute vergessen. (Anmerkg. d. Red.: Wilfried Stallknecht beispielsweise, der IKEA-Architekt des Plattenbaus. Stallknecht hatte Plattenbau so gedacht, dass sich die Zimmer frei gestalten ließen und der Bewohner entschied, wohin er das Schlafzimmer wollte, oder die Küche.) Caspar David Friedrich war auch über 100 Jahre vergessen, bis man ihn wieder rausgekramt und für toll befunden hat.


Kunst kann ja auch als Leitplanke dienen und Lösungen bieten für eine Situation, in der man gerade steckt. Fragen, die wir uns heute tagtäglich stellen, versucht man in der Kunst zu beantworten. Das war zu DDR-Zeiten nicht anders.


Genau. Ich bin jetzt nicht die Stimme für alle ostdeutschen Künstler.


Nicht?


Also eigentlich schon, aber das weiß Ostdeutschland noch nicht (erneutes Lautlachen).


In der Generation, die jetzt da ist, gibt es kein einheitliches Thema, das ostdeutsche Künstler zusammenhält. Man muss aber unterscheiden, dass es ostdeutsche Künstler gibt, die andere Themen und einen anderen Blick hatten und haben. Es gibt bei einigen Künstlern aus der DDR Parallelen. Techniken wie Lithografien, Radierungen oder Künstlerbücher hatten eine große Tradition. Dinge, die heute nicht mehr „modern“ sind. Ich weiß nicht, wie populär diese Techniken in Westdeutschland waren. Das Informelle, das zwei Seiten hat, spüre ich bei Künstlern, die heute 50 und 60 sind. Sie haben viel mit Material auf der Leinwand experimentiert. Die Form und die Farbe waren meiner Meinung nach für die DDR-Künstler schon Anlass genug, um zu malen.


Das klingt nach viel Ausprobieren wollen.


Da hast du gar nicht mal Unrecht. Im Osten ist es weniger die intellektuelle Herangehensweise gewesen. Eher eine Spielerische. Ich mache was mit dem Material und schaue, was damit passiert. Im Westen musste politisch viel und weniger subtil thematisiert werden.


Hast du ein konkretes Beispiel?


Schau dir Penk an. Da hat man vordergründig nicht nur das Politische gesehen, auch wenn es Teil seiner Arbeit ist. Im Gegensatz zu Immendorff. Da ist das Politische viel mehr nach außen gestellt. Penks Werke haben soviel Freiheit, dass ich entscheiden kann, ob ich sie politisch lese oder nicht. Das ist viel offener. Jürgen Wenzel ist in die Schlachthöfe gegangen, um zu malen. Das war für ihn ein Aufbegehren. Der hatte keinen Bock auf sozialistische Wandgemälde.


So kannst du dich in beide Perspektiven retten und du kannst wählen, auf welcher Seite du stehen willst. Was treibt dich gerade um?


Was mich schon lange beschäftigt, begeistert mich auch heute. Landschaften, die Abstraktion von Dingen, kleine Situationen, ein umgekippter Stuhl. Sachen, die ich sehe. Das hat sich nicht verändert. Ich verfeinere diese Themen immer wieder als komplett auf Neues zu gehen.


Möchtest du bei deinem Betrachter etwas auslösen oder Botschaften übermitteln?


In erster Instanz male ich für mich. Mein Hauptantrieb ist, dass es Spaß macht, ich malerische Erkenntnisse habe und Dinge lerne. Die Dinge sind immer aus der eigenen Perspektive interessant. Man kann nie für jemanden anderes arbeiten. Du musst es machen, weil dir es Laune macht.


Da hat die zeitgenössische Kunst ein Problem. Es geht immer darum, etwas zu vermitteln. Scheißegal, ob der Rezipient das lesen kann. Das ist aber nicht die Aufgabe von Kunst. Eher vom Journalismus. Das ist nicht das, was ich in Kunst suche.


Was suchst du dann in der Kunst?


Was ich da suche? Das ist eine gute Frage, Sylvi. Das Schöne an der Kunst ist das Machen. Und wenn das gelingt und Spaß macht, macht man es eigentlich für sich. Ich habe dazu auch viel mit Kollegen gesprochen. Man sucht in der Kunst immer den Moment, wo genau das gelingt. Das gelingt aber so ganz selten. Vielleicht zweimal im Jahr. Das ist die Belohnung, das Bild ist jetzt fertig.


Dem geht meistens ein langer Arbeitsprozess voraus. Aus wie vielen Versuchen wird im Endeffekt ein fertiges Bild bei dir? Wie oft fängst du nochmal neu an?


Ständig. Es ist selten so, dass ich den genialen Strich habe. Es ist ein ständiges Schleifen. Das machst du eeewig. Dann rede ich noch mit anderen drüber. Manchmal sehe ich meine eigene Qualität nicht. Du raffst es manchmal nicht. Bis einer eine alte Zeichnung von meinem Schreibtisch nimmt und sagt, dass die Skizze gut sei. Von zehn Bildern die ich male, bleiben maximal zwei übrig.


Hast du ein Lieblingswerk von dir?


Das fragen die Leute immer. Das habe ich nicht. Ich versuche immer alle Bilder mit der gleichen Aufmerksamkeit zu machen. Natürlich gelingt mir das nicht immer. Es gibt eher Wegmarkierungen. „Katze“ ist eins davon.


Du signierst deine Bilder gar nicht?


Doch, auf der Rückseite. Das lenkt immer vom Bild ab, daher kommt die Signatur auf die Rückseite.


Was hat dich an der Katze so fasziniert, dass du ihr ein Bild gewidmet hast?


Das Bild ist nicht nur ein Katzenportrait. Die Katze ist ein prominentes Element. Man sieht natürlich, dass es eine Katze ist und kein Kanarienvogel. Vielmehr geht es um den Moment, als die Katze auf meinem Balkon saß und Ruhe ausstrahlte. Die Situation an sich war schön. Die Katze war total schön. Es ging mir auch um das abstrakte Gefüge um sie herum. Und auch das ist schön, dass ich gar nicht mehr genau definieren kann, was diesen Moment für mich so Besonders gemacht hat. Es bleibt das Gefühl und deshalb male ich.

Zu den Arbeiten von Falk Töpfer: http://www.falktoepfer.de.


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